1830

Frankreich beginnt mit der Eroberung Algeriens und erobert zunächst Alger. Im Heimatland selbst bricht die Julirevolution aus in deren Verlauf Karl X. und damit die Bourbonen gestürzt wird und stattdessen Louise-Philippe I. von Orleans den Thron übernimmt. In Großbritannien folgt auf den verstorbenen George IV. William IV. Griechenland wird nach der zweiten Londoner Konferenz zwar endgültig unabhängig jedoch nicht als Republik, sondern als Monarchie. Im Gefolge der Julirevolution brechen in ganz Europa Aufstände aus. In Deutschland kommt es in Aachen, Berlin, Braunschweig, wo das Schloss niedergebrannt und Herzog Karl II. vertrieben wird, sowie in München. Die Unruhen haben sämtlich soziale Hintergrund. Ab September brechen in der Schweiz Aufstände aus die sich gegen die aristokratischen Regime wenden und diese stürzen. Im Freiämtersturm besetzen Aufständische die Aargauer Kantonshauptstadt Aarau. Belgien löst sich von den Niederlanden und muss dafür strickte Neutralität wahren. In Warschau bricht eine Revolte gegen russischen Truppen aus. Daraufhin ziehen sich die russischen Truppen aus Polen zurück.

Das Osmanische Reich erkennt die faktische Souveränität Serbiens an.

In Südamerika lösen sich Ecuador und Venezuela von Großkolumbien welches sich daraufhin Neugranada nennt. Mexiko untersagt den USA die weitere Besiedlung von Texas. Jackson unterzeichnet den Indian Removal Act zur zwangsweise Umsiedlung der Indianer Nordamerikas.

Die Erschließung neuer Bahnstrecken geht rasch voran. In England nehmen die Linien Canterbury / Whitestable und Liverpool / Manchester ihren Betrieb auf, in den USA wird die Baltimore and Ohio Railway in Betrieb genommen und in Frankreich wird das erste Teilstück der Strecke Saint-Étienne / Lyon dem Verkehr übergeben.

Für die Sinfonie ist das Jahr eine Epochenwende, da sich nun sehr deutlich zeigt, dass die Romantik sich auch in großen Orchesterwerken Bahn gebrochen hat und v.a. nun auch auf Westeuropa ausstrahlt. Es entsehen zwei außergewöhnliche Werke. In der Ouvertüre ist dies schon fast Routine auch wenn dem italienischen Modell dringend neues Leben eingehaucht werden müsste. Und auch die Concertante zeigt, dass romantische Stilmittel zu ihr passen. Beide Kompositionsweisen, die romantische und die hochklassische, halten sich aber gut nebeneinander.

Es fällt zunächst einmal das völlige Fehlen Österreichs auf. In Deutschland hingegen ist der derzeitige Taktgeber in der romantischen Sinfonie tätig: Mendelssohn. Sowohl seine Sinfonie, deren erste beiden Sätze in eine neue sinfonische Welt führen wie auch in seiner großartigen in London aufgeführten Ouvertüre sind meisterwerke. Kalliwodas Beitrag entspricht über weite Strecken der Hochklassik doch auch hier ist die Verwendung von romantischen Elementen auffällig. Ungewöhnlich, da eher der Spektakelouvertüre zugehörig ist Marschners diesjähriger Arbeitsnachweis. Moscheles demonstriert, dass er in jedem Genre heimisch ist und schreibt eine echt romantische Concertante. Spohr schließlich hat eine sehr eigenen, eher hochklassisch zu nennenden Stil und kann hier mit einer Ouvertüre überzeugen die dann doch kleine romntische Reminiszenzen enthält.

Italien dümpelt ein wenig vor sich hin. Sehr routiniert mit durchaus guten Ideen beliefern uns Bellini und Donizetti mit diversen Beispielen der italienischen Sinfonia jenseits von Rossini.

Frankreich (also Paris) ist heuer wieder DAS musikalische Zentrum seiner Zeit. Berlioz erfindet sozusagen die französische romantische Sinfonie und ein Meisterwerk noch dazu. Erstaunlich ist hier, dass Boely mit seiner Kammersinfonie nahezu vollständig im 18. Jahrhundert verweilt wohingenen Onslow mit seinem Erstling ein sehr starkes Werk in der Tradition von Haydn und Beethoven zu Gehör bringt. Adam schreibt eine zeitgemäße gute Ouvertüre. Bei Auber scheint sich der Einfluß Rossinis bemerkbar zu machen. Die Synthese aus dem italienischen und französischen Spektakelstil gelingt ihm ausgezeichnet.

Zu den (regionalen) Außenseitern zählt wie so oft Dänemarks Kuhlau der weiterhin hervorragende romantische Ouvertüren schreibt. Der Russe Alyabiev lässt die Tradition der Chasse-Sinfonien wieder aufleben und versucht sich sehr erfolgreich an einer großen, ernsten Konzertouvertüre. Der Brasilianer Lobo schließlich ist den Traditionen des Jahrhundertwechsels verhaftet.

Komponist

Katalog / Werk

Sätze

Info

Adam

Ouvertüre

 

zur Oper Danilowa (Vial und Duport)

UA 23.4.1830, Paris Opera Comique

Alyabiev

Nr. 3

e-moll

 

ca. 8‘

 

f-moll

 

ca. 15‘ / um 1830

Auber

AW 19.1

D-dur

Ouvertüre

Allegretto movement de marche - Allegro

ca. 8‘ / Zur Oper Le dieu et la Bayadere ou La Courtisane amoureuse (Scribe)

UA 13.10.1830, Paris Opera

 

Ballet

 

ca. 10’/ Zur Oper  Le dieu et la Bayadere ou La Courtisane amoureuse (Scribe)

UA 13.10.1830, Paris opera

 

AWV 18.1

Es-Dur

Ouvertüre

Marcia-Allegretto maestoso-Allegro-Presto

ca. 8’ / Zur Oper Fra Diavolo ou L’Hotellierie de Terracine (Ventadour)

UA 28.1.1830, Paris Opera Comique

 

AWV 18

E-Dur

Entr’acte

Allegretto

Ca. 1’ / Zur Oper Fra Diavolo ou L’Hotellierie de Terracine (Ventadour) / Akt III

UA 28.1.1830, Paris Opera Comique

Bellini

D-Dur

Ouvertüre

Allegro giusto

ca. 5’ / Zur tragedia lirica I Capuleti ed i Montecchi (Romani nach Scevola Giuletta e Romeao)

UA 11.3.1830, Teatro Fenice, Venedig

Berlioz

Op. 14

c-moll

Reveries-Passions (Largo-Allegronagitato e appassionato assai)  / Un Ball (Allegro non troppo) / Scene aux Champs (Adagio) / March au supplice (Allegretto non troppo)/ Song d’un nuit du Sabbat (Larghetto-Allegro)

ca. 40’ /

Symphonie fantastique

UA 5.12.1830, Paris Conservatoire

Boely

D-Dur

Kammersin.

Allegro / Andante sostenuto / Scherzo (Allegro molto) / Finale:  (Allegro)

ca. 18‘ / um 1830

Coccia

G-Dur

 

Ca. 12‘ / um 1830?

Donizetti

D-dur

Ouvertüre

Larghetto-Allegro

ca. 9‘ / Zum azioni tragico-sacra Il Diluvio iniversale (Gilardoni nach Byron Heaven and Earth und Ringhieri Il Diluvio)

UA 28.2.1830, Teatro San Carlo, Neapel

 

D-dur

Ouvertüre

Allegro vivace

ca. 7‘ / Zur tragedia Anna Bolena (Romani nach Pindemone und Pepoli)

UA 26.12.1830, Carcano, Mailand

 

D-Dur

Ouvertüre

Andante

Zur Oper Il Pazzi per progetto (Gilardoni)

UA 7.2.1830

Kalliwoda

Nr. 3 / Op. 32

d-moll

Adagio molto-Allegro non troppo, con energia / Poco adagio, Con espressione / Menuetto: Allegretto, marcato molto-Trio: Presto, con leggerezza / Rondo: Allegro agitato

ca. 34’

UA 10.3.1830

Krommer

Nr. 9

C-Dur

Adagio-Allegro assai / Adagio quasi andante / Menuetto: Allegretto-Trio / Finale: Allegro moderato

ca. 32’ / 17.9.1830

Kuhlau

Op. 115

d-moll

Ouvertüre

 

ca. 9’

Trillingbrødere fra Damask

Lobo

D-Dur

Ouvertüre

 

um 1830

Marschner

Op. 65

C-Dur

Ouvertüre

(Einleitung)-Allegro vivace

ca. 8’ / Zur komischen Oper Des Falkners Braut (Wohlbrück nach Spindler)

UA 10.3.1832, Stadttheater, Leipzig

Mendelssohn

Op. 107 / Nr. 5

d-moll

Andante-Allegro con fuoco / Andante / Andante con moto-Allegro maestoso

ca. 31‘ / 12.1829-5.1830

Reformationssymphonie

UA 15.11.1832, Berlin

 

Op. 26

h-moll

Ouvertüre

Allegro moderato-animato in tempo

ca. 10’ / 16.12.1830

Hebriden (überarbeitet bis 20.5.1832)

UA 14.5.1832, London

Moscheles

F-Dur

Sinf. Conc.

Adagio patetico-Rondo (Allegretto gratioso)

ca. 15’

Flöte, Oboe

Onslow

Nr. 1 / Op. 41

A-Dur

Allegro vivace ed energico / Andante grazioso con moto / Menuett: Allegro / Finale: Presto giusto

Ca. 35’

UA 10.4.1831

Schneider F

Op. 84

Ouvertüre

 

ca. 12‘

Gaudeamus igitur

UA 5.6.1830 Halle

Spohr

C-Dur

Ouvertüre

Adagio-Allegro moderato

ca. 8’ / 1829/30 / Zur romantischen Oper Der Alchymist (Schmidt alias Pfeiffer nach Irving Der Student von Salamanca)

UA 28.7.1830, Hoftheater, Kassel

 

WoO 5

D-Dur

Introduction

Allegro maestoso-Andante

ca. 1’ / Ende 1830

UA 9.1.1831, Hoftheater, Kassel